PFAS-Belastungen summieren sich auf

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) gelten als technische Wundermittel und sind seit rd. 70 Jahren im Einsatz. Es gibt sie in zahllosen Produkten: in Pestiziden für die Landwirtschaft, Teflon-Pfannen, Waffeleisen, Sandwichmaker, Zahnseide, Lebensmittelverpackungen wie Pizzakartons oder Burgerkartons, Teppichen, Make-Up, Outdoor-Jacken, Schuhen, Löschschaum, Imprägniermittel usw. Auch an der Produktion vieler vermeintlich PFAS-freier Produkte sind sie beteiligt. Ihr Vorteil: Sie sind wasser-, schmutz-, und fettabweisend und sehr hitzebeständig. Das Problem: Die Natur kann PFAS nicht abbauen, sie reichern sich über Jahrhunderte immer weiter an. Die Stoffgruppe umfasst heute Tausende Einzelsubstanzen, nur wenig mehr als 20 sind gesetzlich reguliert Leider bislang auch nicht TFA (s.u.). PFAS können aus Betrieben, Deponien oder Kläranlagen in die Umwelt gelangen oder sie werden wie bei Pestiziden, direkt ein gebracht.
Gesundheitsrisiko PFAS
Ob und wie sie Verbraucherinnen und Verbaucher, Natur und Umwelt langfristig schädigen, ist viel zu wenig erforscht. Einige PFAS sind aber nachweislich gesundheitsgefährdend: Sie können unter anderem Organschäden, erhöhte Fehlgeburtenraten und Krebs verursachen. Sie können auch zu Schilddrüsenerkrankungen und Fruchtbarkeitsstörungen führen und die Wirksamkeit von Regelimpfungen minden. Menschen nehmen die Chemikalien zum Beispiel über Trinkwasser und Nahrung auf.
Keine Kennzeichnungspflicht für PFAS
Die Verwendung von PFAS ist aber nicht kennzeichnungspflichtig. Nur wenig Hersteller deklarieren ihre Produkte wie z. B. Regenjacken oder Outdoor-Materialien als „PFAS-frei“ oder „PFC-frei“. Auch das Gütesiegel „Blauer Engel“ ist ein Hinweis darauf, dass wenig Schadstoffe erhalten sind. Ob Kosmetik PFAS enthalten, können Sie mit der kostenlosen ToxFox-App des BUND herausfinden. Scannen Sie einfach den Barcode auf dem Produkt mit der App und der ToxFox gibt sofort Auskunft, ob PFAS oder andere Schadstoffe darin enthalten sind.
TFA: extrem hartnäckig und schädlich
Das kleinste PFAS-Molekül ist TFA, Trifluoracetat, das Salz der Trifluoressigsäure. Als Abbauprodukt langkettigerer Fluorchemikalien aus Pestiziden, Kältemitteln (F-Gase), Industrieabwässern (s.u. Solvay, Bad Wimpfen!) Medikamenten und anderen Stoffen ist es besonders stark verbreitet. Die persistente und sehr mobile Substanz wird mit dem Niederschlag (Regen, Schnee) in den Wasserkreislauf eingetragen und ist dort kaum zu entfernen. TFA wurde im Regenwasser, Oberflächenwasser und Grundwasser nachgewiesen (s. BUND-Studie zu Trink- und Mineralwässern und und BUND-Pressemitteilung zu Oberflächengewässern). Übers Wasser gelangt TFA auch in unseren Körper. In einer Studie in den USA wurde TFA in drei Viertel von 81 Blutproben aus Haushalten in Indiana gefunden. Bei einem kappen Drittel der Probandinnen und Probanden fand sich die Chemikalie auch im Urin. Eine Studie der Fa. Bayer von 2021 mit Kaninchen, denen TFA übers Wasser verabreicht wurde, belegt eindeutig, dass TFA ungeborenes Leben schädigt. Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hatte TFA bereits früher als einen „für die Umwelt besorgniserregenden Stoff“ qualifiziert, es hat eine ausführliche Dokumentation zu TFA veröffentlicht.Eine kurze Übersicht bietet auch dieser Link. Dass TFA schädlich für Wasserlebewesen ist, war schon früher bekannt.
Aktuelle Studien zu TFA im Wein und in Getreide rückten die kritische Substanz endlich wieder in den Fokus. Zuletzt untersuchte die größte Umweltschutzorganistion Österreichs, Global2000, Getreideprodukte auf TFA. Die Ergebnisse sind alamierend: Alle getesteten Produkte, ob konventionell oder biologisch, weisen unerwartet hohe TFA-Werte auf. Die Bandbreite reicht von 13 µg/kg bei Roggen aus biologischem Anbau bis zu 420 µg/kg in konventionellen Butterkeksen. Das entspricht dem 100- bis 1000-Fachen der ohnehin bereits hohen TFA-Werte in Regen-, Grund- und Trinkwasser in Österreich.
Deutsche Behörden: TFA offiziell fortpflanzungsgefährdend
Ende Mai 2025 hat auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) TFA offiziell als fortpflanzungsgefährdend sowie als sehr langlebig und mobil bewertet. Gemeinsam mit der Bundesstelle für Chemikalien und dem Umweltbundesamt (UBA) wurde ein entsprechendes Einstufungsdossier bei der Europäischen Chemikalienagentur eingereicht.
Bad Wimpfen: immer noch 24 kg TFA pro Tag im Neckar verklappt
Eine der wenigen Firmen in Deutschland, die PFAS herstellen, ist der Standort Bad Wimpfen des international agierenden Chemie-Giganten Solvay im Landkreis Heilbronn. Beim dortigen Produktionsprozess bleibt am Ende die Ewigkeits-Chemikalie TFA zurück, die von Solvay jahrelang als Abfallprodukt in den Neckar eingeleitet wurde, wohlmöglich seit den 1990er-Jahren. Und zwar zunächst viele Jahre lang rund 100 kg am Tag! 2016 erteilte das zuständige Regierungspräsidium der Firma Sovay sogar eine wasserrechtliche Erlaubnis, bis 2044 Abwässer einzuleiten. Dabei gab es keinerlei Einschränkungen für die Einleitung von TFA, mit der Begründung, dass in der Abwasserverordnung für die Substanz kein Überwachungswert aufgeführt war. Erst als im gleichen Jahr die hohe TFA-Belastung von Uferfiltrat-Trinkwasser in Edingen-Neckarhausen (Rhein-Neckar-Kreis) bekannt wurde, die bald sieben Mal höher war als der damalige Gesundheitliche Orientierungswert (3 μg/l), erfolgten ab 2017 nach Verhandlungen mit dem Unternehmen schrittweise Einschränkungen seitens des RP S. Und erst seit Oktober 2019 gilt die Auflage zur Absenkung auf bis zu 1 kg pro Stunde (Monatsmittelwert) - das sind rd. 8,7 t im Jahr. Wegen dieser behördlichen Duldung und der TFA-Müllentsorgung hatte bereits der Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. am 6. Okt. 2017 gleichlautende Strafanzeigen bei den Staatsanwaltschaften Stuttgart bzw. Heilbronn gegen Solvay (als Emittenten) und das Regierungspräsidium Stuttgart (als Genehmigungsbehörde) beantragt. Leider ohne Erfolg. Laut BBU bekam die Organisation seitens der Staatsanwaltschaft zu hören: „Dummheit im Amt kann man nicht bestrafen!“
Bad Wimpfen: Alarmierende TFA-Werte in örtlichen Quellen
Seit 2024 verfolgt die KONTEXT-Wochenzeitung das Geschehen rund um TFA in Bad Wimpfen und veröffentlicht ihre Recherche-Ergebnisse. Demnach wurden Mitte 2024 bei einer Routine-Kontrolle der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) auf dem Solvay-Gelände in Bad Wimpfen bei einem Brunnen, der behördlich als Messstelle "BBR 3 Solvay Fluor GmbH (0079/507-6)" geführt wird, ein TFA-Wert von ein 50 μg/l erfasst - also nur 10 μg/l unterhalb des Leitwerts und ein Fünffaches des vom Umweltbundesamt empfohlenen Zielwerts von höchstens10 μg/l für Wasser. Daraufhin erfolgte lt. KONTEXT seitens der Behörden die Ursachensuche bei den diversen Quellen am Hang, oberhalb des Solvay-Geländes. Der Test der dortigen Waldwasserquelle, deren Wasser industriell genutzt wird, ergab einen noch alamierenderen TFA-Wert von 320 μg/l. Bislang ist unklar, wie und wodurch der Eintrag in diese Quelle erfolgt. Ebenso werden lt. der Wochenzeitung seitens des Gesundheitsamts Proben von verschiedenen Trinkwasserquellen in der Umgebung der Waldwasserquelle genommen. Bei einer dieser Quellen lag die Konzentration ebenfalls bei 319 μg/l, sie diente zur Trinkwasserversorgung eines Privathauses, so Kontext. Die Nutzung als Trinkwasser sei unverzüglich untersagt wordeb, Duschen/Waschen seien aber weiterhin erlaubt. Ebenso wurde in zwei Trinkwasser-Quellen von Untereisesheim (Schleckenbrunnen 1 und 2) 19 μg/l bzw. 14 μg/l TFA festgestellt, so Kontext.
BUND-Forderungen
- Sofortiger Stopp der wissentlichen TFA-Einleitungen in die Natur
- Sofortiger Stopp von PFAS in sensiblen Konsumprodukten (Lebensmittelverpackungen, Kosmetik)
- Engagiertes Eintreten der deutschen Regierung für das Verbot von PFAS
- Nationale Strategie für die Sanierung kontaminierter Orte
- Konkreter Fahrplan der EU-Kommission zum PFAS-Gruppenverbot bis 2030
PFAS-Manifest an die EU
Gemeinsam mit über 60 Organisationen haben wir ein PFAS-Manifest an die EU-Kommission adressiert. Unser Hintergrundpapier „Fluorchemikalien: Langlebig, gefährlich, vermeidbar“ liefert eine umfassende wissenschaftliche Analyse zum Thema. Mit unseren Labor-Tests und Markt-Recherchen schaffen wir als BUND Transparenz und Aufklärung für Verbraucher*innen.