Regionalverband Heilbronn-Franken

Gräben des Grauens: BUND fordert naturschonende Pflege der Kleinstgewässer an Straßen, auf Feld und Flur

29. Juni 2020 | Download, Flüsse & Gewässer, Landwirtschaft, Lebensräume, Naturschutz

Viele Berichte sind in den Medien bereits über das Insekten- und Artensterben erschienen. Landauf, landab werden in den Kommunen "Insektenhotels" aufgestellt und Blühwiesen angelegt. Doch zumeist sind dies Inselprojekte – der Transfer auf andere kommunale oder öffentliche Pflegemaßnahmen, die Tiere und Pflanzen betreffen, fehlt. Ein Beispiel sind die Gräben an Straßen und auf Feldern. Als Kleinstgewässer stellen sie wichtige Lebensräume dar und sollten deshalb planerisch und naturverträglich gepflegt werden. Die Realität sieht anders aus. Der BUND fordert deshalb, dass Naturschutz auch hier endlich ernst genommen wird. Die gesetzlichen Grundlagen dafür werden schon viel zu lange ignoriert.

Naturnahe Grabenpflege ist nicht Kür, sondern Pflicht. Dazu gehört, dass Pflegearbeiten nur abschnittsweise und zeitlich gestaffelt erfolgen, damit die Grabenbewohner im verbleibenden Dickicht Zuflucht finden können (Bild: Karl-Heinz Liebisch / Pixelio.de)

(Heilbronn, 29.06.2020) Potenzial zur Lebensader hat eigentlich jeder Graben. Und deshalb sieht auch § 39 des Wasserhaushaltsgesetzes vor, dass die Grabenpflege auch die ökologische Verbesserung umzusetzen hat. Stattdessen wird allenthalben mit schwerem Gerät den Gräben zu Leibe gerückt – viel zu oft und viel zu radikal. Dabei sind sie Lebensraum, Fortpflanzungsstätte, Zuflucht und Überwinterungsquartier für viele Arten: Molche, Kröten, Frösche, Insekten, Vögel und sogar Kleinfische wie den Stichling. Und sie sind Lebensadern im Biotopverbund, also dem Netzwerk in der Landschaft, das Tiere und Pflanzen dringend benötigen: für die Partnersuche, für neue Reviere und neue Futterquellen.

„Selbstverständlich müssen Gräben gepflegt und unterhalten werden“, so Gottfried May-Stürmer, Geschäftsführer der Regionalgeschäftsstelle Heilbronn-Franken des Bunds für Umwelt- und Naturschutz. „Aber seit langem informiert auch der Fachdienst Naturschutz der Landesanstalt für Umweltschutz darüber, dass dies auch naturverträglich geht“. Zentral dabei sind dabei folgende Faktoren: mehrjährige Planung, standortgerechtes Vorgehen, kalendarisch richtiger Einsatz und während der Pflegemaßnahme zeitliche und räumliche Staffelung. Klingt komplex, ist es aber kaum.

Pflege mit Plan, Maß und Know-how

Ob Schlamm und Anschwemmungen ausgehoben werden, die Böschung gemäht wird oder die Wasserpflanzen ausgedünnt werden, immer darf dabei nur abschnittsweise vorgegangen werden. Das ist wichtig, damit Tiere ihre Zuflucht, ihre Nahrungsgrundlage und Lebensräume nicht verlieren. Ob dies in Abschnitten oder im Schachbrettmuster erfolgt oder jeweils nur eine Uferseite drankommt, mindestens ein Drittel Altbestand muss bleiben. „Vor jedem Eingriff ist zu prüfen, ob er überhaupt nötig ist“, so der Experte beim BUND. „Einfach den Graben zu mähen, weil man gerade Zeit hat, ist ein No Go.“ Werden Brut-, Laich-, Entwicklungs- und Ruhephasen der Grabenbewohner in die Planung einbezogen, bleibe ohnehin nur eine dreimonatiges Zeitfenster von Ende August bis Oktober. „Das dürfte aber reichen!“ Denn nicht jeder Standort müsse jährlich gemäht werden. „Der üppige Wuchs der Wasserpflanzen kann auch durch beschattende Gehölzpflanzungen verringert werden. Das spart das Entkrauten und hilft der Vogelwelt“, so May-Stürmer, May-Stürmer, der auch Landwirtschaftsexperte beim Landesverband des Bunds für Umwelt- und Naturschutz ist. Die radikalste Pflegemaßname an Gräben, das Ausräumen von Schlamm und Anschwemmungen, darf minimal alle fünf Jahre erfolgen. Dabei sind schnell drehende Maschinen wie Grabenfräsen verboten. Übrigens: Nach dem Eingriff muss das Material immer zwei Tage am Ufer liegenbleiben, damit Tiere die Chance haben, in ihren Lebensraum zurückzukehren. Danach heißt es: weg vom Graben mit dem Schlamm, dem Schnitt- oder Mähgut. Auch bei der Wahl der Technik muss die Naturverträglichkeit Priorität haben. Hier sollten nur Spaten, Tieflöffel, Mähkorb oder Sense zum Einsatz kommen.

Vorausschauende Anlage reduziert Aufwand

Würden die Gräben von Beginn mit breitem Saum als Pufferzone und flacheren Uferzonen angelegt, wäre der Pflegeaufwand viel geringer: weniger Nitrateinträge durch Nachbarfelder bedeute weniger Wuchs, flachere Ufer weniger Materialeinträge durch Erosion. „Dann kann man sich auch das Verbauen der Gewässersohlen sparen“. Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn bei der nächsten Grabenräumung versucht würde, einen naturnahere Gewässerstruktur zu gestalten. Abschnittsweise, versteht sich.


Hier gibt es die Handreichung zur Grabenpflege als Langtext zum Download

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