Regionalverband Heilbronn-Franken

Mega-Schweinestall in Langenburg-Nesselbach: Umweltschützer sehen im Umwelt-Prüfbericht eklatante Mängel

12. Oktober 2020

In Langenburg-Nesselbach soll ein Mega-Stall mit fast 8.000 Schweinen entstehen. Seit 2013 wehren sich Umweltschützer gegen das Projekt. In der nun vorgelegten Umweltverträglichkeitsprüfung sieht u. a. der BUND eklatante Lücken. Insbesondere der Schutz des Grundwassers, aber auch von Völkersbach und der leidgeprüften Jagst komme deutlich zu kurz.

Bewegungsfreiheit, frische Luft, Boden zum Suhlen? Die Massentierhaltung ist von artgerechte Schweinehaltung meilenweit entfernt (Bild von Jai79 auf Pixabay)

Mit dem COVID-19-Ausbruch bei der Fleischfabrik Tönnies in nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück kam im Juni erneut die Fleischindustrie in die Kritik. Neben den skandalösen Arbeitsbedingungen und eklatanten Mängeln beim Tierschutz wurden auch die ökologischen Probleme der Massentierhaltung öffentlich diskutiert. Noch ist der Norden Deutschlands das Kerngebiet der Fleischindustrie, aber auch in Süddeutschland gibt es Mega-Stall-Projekte. Eines soll im Landkreis Schwäbisch Hall bei Langenburg umgesetzt werden. Dort betreibt im Teilort Nesselbach ein Landwirt bereits einen Zucht- und Mastbetrieb für Schweine mit knapp 2.200 Plätzen. Seit 2013 plant er eine Erweiterung auf 7.986 Tiere. Schon damals hatten sich der Regionalverband Heilbronn-Franken des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das Umweltzentrum Kreis Schwäbisch Hall kritisch zu dem Projekt geäußert. Der Bebauungsplan für die Erweiterung wurde 2018 genehmigt. Derzeit läuft das immissionschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, zu dem die Naturschutzverbände Stellung genommen haben.

Boden in Nesselbach schon jetzt überdüngt

Wiederum brachten der baden-württembergische Landesverband für Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Schulterschluss mit dem Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV), dem Landesverband Baden-Württemberg des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und dem Umweltzentrums Kreis Schwäbisch Hall ihre Einwendungen vor. Hauptkritikpunkte an der vorgelegten Prüfung sind auffallende Lücken beim Wasser- und Bodenschutz. Denn mit der Massentierhaltung würden erhebliche Mengen an Gülle anfallen – mit entsprechendem Gehalt an Pflanzennährstoffen (Stickstoff, Phosphor) und einer hohen Belastung mit Fäkalkeimen und Medikamentenrückständen. Landet die Gülle wie üblich auf den Felder, gelangen diese in den Boden und können ins Grund- und Oberflächenwasser ausgewaschen werden. „Die Auswirkungen dieser Stoffe auf die Schutzgüter werden in der Umweltverträglichkeitsprüfung in völlig unzureichender Weise behandelt“, kommentiert Gottfried May-Stürmer, Landwirtschaftsreferent des BUND-Landesverbands die vorgelegten Prüfungsergebnisse. Die Deutschlandkarte des Nitratberichts 2020 der Bundesregierung zeige eine deutliche Nitrat-Belastung des Grundwasser gerade dort, wo große Tierhaltungen konzentriert sind. Wie an einem Viertel aller Grundwassermessstellen im Bundesgebiet wird auch im Landkreis Schwäbisch Hall der Grenzwert von 50 mg/l Nitrat an diversen Messstellen regelmäßig erheblich überschritten, so z. B. bei der Langäckerquelle (Untermünkheim) oder der Quellfassung Horlacher (Ilshofen). Schon jetzt seien auch in Nesselbach die Böden mit einem Stickstoffüberschuss von 96 kg pro Hektar (2018) stark überdüngt (EU-Grenzwert: 60 kg/hN). „Bei den Auswirkungen auf das Schutzgut Boden gehört nicht nur die Flächenversiegelung in die UVP, sondern auch die Untersuchung der qualitativen Beeinträchtigung des Bodens durch die Gülle“, so May-Stürmer.

Zu wenig Schutz für Grundwasser und Jagst beklagt

Die Umweltschützer kritisieren auch, dass die vorliegende immissionsschutzrechtliche Prüfung den vorgeschriebene Oberflächen- und Grundwasserschutz weder gemäß des Wasserhaushaltsgesetzes noch gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie berücksichtigt. Auch die Gefahren für nahe gelegene Wasserschutzgebiete wie das bei Bächlingen blieben außen vor. Selbst hydro-geologische Probleme, die in Zusammenhang mit dem örtlich anstehenden, wasserdurchlässigen Muschelkalk und Dolinen wie dem Karst-Schluckloch beim nahegelegenen Völkersbach stehen können, würden nicht beachtet. „In der Umweltverträglichkeitsprüfung wird noch nicht einmal untersucht, welche Beeinträchtigung die Gülleausbringung für den angrenzenden Völkersbach und die nur gut einen Kilometer Luftlinie entfernte Jagst haben könnte, in die der Bach ja mündet“, so May-Stürmer. Genau dort befindet sich zu beiden Seiten der Jagst das nach europäischen Naturschutzvorgaben geschützte FFH-Gebiet „Jagsttal Langenburg-Mulfingen“. Aufgrund der räumlichen Nähe zur geplanten Anlage halten die Umweltschützer eine FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) für zwingend erforderlich. Fraglich bleibt für sie auch, wie sichergestellt wird, dass im Brandfall kein mit Gefahrstoffen kontaminiertes Löschwasser in diese Gewässer gelangen kann. Gerade angesichts des dramatischen Jagstunglücks von 2015 gelte es hierauf besonders zu achten.

Keimschleuder Schweinestall?

Anders als die UVP-Verfasser, gehen die Umweltschutzverbände davon aus, dass von den wenig rosigen Gerüchen des Megastalls nicht nur die Anwohner etwas mitbekommen werden, sondern auch Erholungssuchende und Radler im Jagsttal. Der Gestank ist nicht nur lästig, er könnte auch gefährlich sein. Da in der Intensivtierhaltung Antibiotika eingesetzt werden, hat dies längst zu antibiotikaresistenten Keime geführt – und in der Folge zu großen Problemen in der Humanmedizin. In Ställen mit mehr als 5.000 Schweinen wurden bei mehr als 70 % der Tiere multiresistente Keime nachgewiesen. Aus Sicht der Verbändemuss untersucht werden, ob solche Keime aus dem geplanten Stall - z. B. über die Abluft - Menschen direkt oder indirekt beeinträchtigen können.

Schweine haben auch Rechte

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) nennt unter § 2 Absatz 1 Ziffer 2 als Schutzgut „Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt“. Die vorliegende Prüfung hat die Auswirkungen auf die Nutztiere jedoch nicht betrachtet. Es fehlen Vorgaben zur artgerechten Haltung von Mastschweine, Sauen und Ferkel. Außerdem sind die neu beschlossenen bundesweiten Vorgaben zur Sauenhaltung (Kastenstände) und Ferkelkastration nicht einbezogen worden. Die Verbände fordern auch, dass die Auswirkungen der zusätzlichen Güllemengen aus der Anlage auf die Artenvielfalt der Ausbringungsflächen in der Umweltverträglichkeitsstudie untersucht und dargestellt werden.

 

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